Mit dem Eisenhower-Prinzip sicherer werden

Management Summary:

Das Eisenhower-Prinzip besagt, dass Aufgaben anhand von Wichtigkeit und Dringlichkeit in vier Quadranten eingeteilt werden. Je nach Einteilung wird mit den Aufgaben anders verfahren. Um dieses Prinzip richtig anzuwenden, müssen Menschen sich zuerst darüber im Klaren sein, was «wichtig» und «dringlich» für sie persönlich bedeuten. Embodiment und Raumanker sind eine geeignete Methode, um sich diesen Aspekten auf erlebende Weise zu nähern. Die Auseinandersetzung kann in vielfältiger, systemischer Weise erfolgen. In der vertieften Auseinandersetzung mit diesen Themen beginnt man, sich selbst und sein Umfeld besser zu verstehen. Durch einen Transfer in den Alltag und die Beschäftigung mit angrenzenden Themen kann das alles persönlichen Kompetenz, zur betrieblichen Atmosphäre und zu Unternehmenszielen wertvoll beitragen.

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Stichworte:

Methodik, Selbstmanagement, Zeitmanagement, Organisation, Eisenhower, Embodiment

 

Gegengelesen von Matthias Keller, Körperpsychotherapeut IBP. Besten Dank.


1. Einleitung

Die Eisenhower-Methode ist eine oft referenzierte Methode aus dem Bereich des Selbstmanagements. Manchmal wird die Methode auch «Eisenhower-Prinzip» genannt. Es geht darum, anstehende Aufgaben nach den Kategorien «wichtig» und «dringlich» in vier Bereiche einzuteilen, und je nach Einteilung geht man mit den Aufgaben anders um. Die Eisenhower-Methode ist somit eine Triage, eine Strukturiermethode, die Ordnung schafft und den Fluss in wichtigen Themenbereichen aufrecht hält.

 

Es gibt eine Menge Fachliteratur zum Eisenhower-Prinzip. So einfach das Prinzip auch beschrieben werden kann – es liegt viel Psychologie darunter, und es lohnt sich, etwas tiefer zu schürfen. 

2. Das Eisenhower-Prinzip

2.1 Inhalt

Im Eisenhower-Prinzip kommt eine Matrix zum Zuge, deren x-Achse die Dringlichkeit und deren y-Achse die Wichtigkeit darstellt. Mit den groben Unterteilungen «wichtig» / «unwichtig» sowie «dringlich» / «nicht dringlich» entstehen vier Quadranten, wie nachfolgend dargestellt.

Abbildung 1: Die Eisenhower-Matrix und die Tätigkeiten pro Quadrant.

Quelle: angelehnt an gruenderlexikon.de (https://www.gruenderlexikon.de/checkliste/fuehren/zeitmanagement/eisenhower-prinzip, online, 2019)

Anstehende Aufgaben werden in die Quadranten eingeteilt. Zur Bearbeitung der Aufgaben in den Quadranten gilt dann folgende Regel:

  • A-Aufgaben werden sofort und selbst erledigt.
  • B-Aufgaben werden ebenfalls selbst erledigt, jedoch nicht sofort.
  • C-Aufgaben werden delegiert an Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen oder an Drittparteien.
  • D-Aufgaben werden weggeworfen, resp. nicht beachtet.

2.2 Komplexe Wirklichkeit und Potential

So, wie das Eisenhower-Prinzip an vielen Stellen erklärt wird, funktioniert es für eine hierarchisch organisierte Arbeitswelt, bei denen Tasks gewissermassen wie auf einem Fliessband anrollen und der Kontext eher klar ist. Es eignet sich offenbar zum Aufräumen überfüllter Tasklisten, überfüllter Schreibtische, oder zum effizienten Abarbeiten und Aufrechterhalten des Flusses in eher mechanistischen Prozessen.

 

Die Wirklichkeit ist oft komplexer. Organisatorisch und persönlich wechselseitige Verflechtungen beeinflussen die Entscheidungen, ob etwas wichtig oder dringlich ist. Menschen definieren wichtig und dringlich auf persönliche Weise.

Wenn man mit Menschen in der Arbeitswelt über die Begriffe «dringlich» und «wichtig» spricht und sie fragt, warum sie welche Aufgabe wie eingeordnet haben, zeigen sich verschiedene Begründungen und auch Verflechtungen. Hier sind Beispiele aus der Praxis:

  • «Wichtig» ist für manche Menschen das, «was schlaflose Nächte verursacht». Mit zunehmender Erfahrung wissen die Menschen genau, was das ist. Es verursacht allerdings nur schlaflose Nächte, wenn es «zu spät angegangen» wird. Diese Gefühlswelt gestaltet die Planung.
  • Viele Menschen stellen mehrere «gleich wichtige» Tasks hintereinander und machen die «dringlichen» zuerst. Dabei beobachten sie, dass die innere Begründung, welche Task wie dringlich ist, in der bestehenden Unruhe schwankt. Die Priorisierung floatet, es ist unklar warum, und das verstärkt die Unruhe.
  • «Wichtig» bedeutet manchmal, entgegengebrachtes Vertrauen zu wertschätzen. Eine Sachbearbeiterin, die ein anspruchsvolles und relevantes Protokoll schreibt, sagt zum Beispiel: «Ich finde es super, dass ich im Team dieses Vertrauen geniesse.»
  • Manchmal ist «wichtig» für Leute gleichbedeutend mit «wichtig für uns alle im Team». Man tut also etwas für das gemeinsame Gelingen.
  • Dringlichkeit wird nicht nur mit der Frage entschieden, was «sogleich gemacht werden muss». Dringlichkeit wird oft mit der Frage entschieden, was auch später noch erledigt werden kann: «Was würde am Montag auch noch reichen?» wird am Freitag gefragt.
  • Bei manchen Tasks ist absehbar, dass sie in die Agenda kommen, und auch ihre Dringlichkeit ist absehbar. Hier gibt es übergeordnete Muster.
  • «Dringlich» wandert in andere Dimensionen, sobald es Vorlaufzeiten bei Drittstellen, oder Bearbeitungszeiten bei Untergebenen u.a. gibt.

Die Folgen der Einordnung in einen Quadranten sind wiederum Themen für sich: manche Leute können sich gar nicht so recht vorstellen, eine E-Mail einfach zu löschen oder eine angetragene Arbeit auch mal zurückzuweisen. Delegieren ist ein Kapitel für sich – viele Leute haben niemandem, dem sie etwas delegieren können. Die Stresskurve bei superdringenden und superwichtigen Aufgaben ist ebenfalls ein Kapitel für sich.

 

Gelegentlich hört man die Kritik, dass bei einem guten Zeitmanagement erst gar kein Stapel unerledigter Aufgaben entstehen sollte – denn dieser würden ja eben rechtzeitig abgearbeitet und auch im Umfeld frühzeitig integriert. Das ist ein Stück weit eine Illusion. Im Berufsalltag ist stets mit unvorhergesehenen Dingen zu rechnen, die plötzlich über den Kopf wachsen und die eine Bearbeitung brauchen - beispielsweise Unfälle, die nicht richtig triagiert werden können.

 

Die Wirklichkeit ist vielfältiger und komplizierter, als es oft dargestellt wird – und wiederum ist das Eisenhower-Prinzip leistungsfähiger, als es oft dargestellt wird. Es hat das Potential, Wachstum anzuregen und komplexe Wirklichkeit zu ordnen.

3. Spielerische Selbsterfahrung

Dem Eisenhower-Prinzip soll nun mittels Embodiment und Raumankern spielerisch forschend begegnet werden. 

3.1 Ziel der Selbsterfahrung

In der anschliessenden Selbsterfahrungssequenz kann man sich eine wertvolle Basis und einen Einstieg schaffen: das eigene, grundlegende Verhältnis zu «wichtig» und «dringlich» wird auf der Metaebene erforscht. Je nach erlebtem Nutzen und angestrebtem Ziel können später konkrete Beispiele und systemische Aspekte erforscht werden. Das wird im Kapitel 3.4 erläutert.

 

Durch dieses Forschen wird man bewusster für die eigenen Beweggründe im Alltag. Das bedeutet auch, einen behutsamen Blick in etwas tiefere Schichten des Selbst zu werfen. Man beginnt, unbewusste Mechanismen bewusster zu machen und setzt sich mit den Reaktionen seines Selbst auseinander. Beides trägt direkt dazu bei, das Selbst zu stärken.

3.2 Embodiment und Integration

Embodiment eignet sich für die Einzelarbeit, aber auch als Ansatz in einem Coaching. Unter Embodiment ist die Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche gemeint, insbesondere die Möglichkeit, mit dem Körper psychische Aspekte zu erforschen, sichtbar zu machen und auch zu beeinflussen.

 

Man könnte über die Begriffe «wichtig» und «dringlich» auch einfach sprechen oder mit kognitiven Fragen und Imaginationsreisen arbeiten. Arbeitet man mit Embodiment, finden Automatismen (Reflexe) Beachtung, und die gefundenen Erkenntnisse haben mehr Tiefe. Ausgelöste Veränderungen sind umfassender. Im heutigen Stand der Kenntnisse hat jede Kognition, jede Emotion und jeder Affekt eine sensomotorische Komponente (Barsalou, 2009). Der Körper spielt beim Verarbeiten von Information eine viel wichtigere Rolle, als oft angenommen wird (Storch, 2014). Raumanker sind eine hervorragende Unterstützung für Embodiment, indem sie erlebbare Struktur schaffen.

 

Wenn am Arbeitsplatz Reflexe die Kontrolle übernehmen – wenn Schuldgefühle, Aktivierungskurven oder Ängste konkrete Handlungen am Arbeitsplatz verzerren, dann ist das anspruchsvoll. Dann lohnt es sich, auf die Tiefe zu gehen, wo diese Reflexe herkommen: auf die Ebene des Körpers.

 

Die nachfolgende Selbsterfahrung hat damit ein klares Ziel. Man pendelt im Erleben zwischen Texten, Gefühlen, Atmung und Bewegung und achtet auf allfällige, tief gefühlte Aha-Erlebnisse. Diese sind persönliche Momente der Synthese des ganzen Körpers – auch Integration, Perspektivenwechsel oder «felt shift» genannt. Diese Momente sind sehr nachhaltig.

3.3 Selbsterfahrungssequenz

Teil 1: Setting

1. Nehmen Sie sich 20 Minuten Zeit und stellen Sie sicher, dass Sie nicht gestört werden.

 

2. Nehmen Sie zwei Schnüre. Legen Sie eine Schnur als x-Achse aus und die andere als y-Achse aus, am besten kreuzförmig, damit vier Quadranten auf dem Boden entstehen (siehe Abbildung 2).

 

3. Markieren Sie mit Zetteln oder Moderationskarten je nach Bedarf die vier Quadranten, so dass Sie sich ohne Nachdenken im Klaren darüber sind, welcher Quadrant welche Bedeutung hat (siehe Abbildung 2).

Manche Leute möchten die Quadranten so beschriften, dass die Schnüre effektiv eine Unterteilung für wichtig / unwichtig und dringlich / nicht dringlich bilden. Andere Menschen beschriften die Quadranten lieber in einer für sie naheliegenden Reihenfolge, zum Beispiel im Uhrzeigersinn. Das spielt letztlich keine Rolle.

Abbildung 2: ein mögliches Setting, am Boden ausgelegt.

Quelle: eigene Darstellung (Peter Hofer, 2019)

Teil 2: In den Quadranten forschen

Mit dem Setting aus Teil 1 kann man in den vier Quadranten sehr unterschiedliche Kontexte erforschen. Diese sind gleich anschliessend an die Selbsterfahrungssequenz genauer beschrieben.

 

Hier im geht es um die Basis, um die unmittelbare Wirkung der Quadranten per se. Die Praxis zeigt, dass das funktioniert und aufgrund der Einfachheit ein sinnvoller Einstieg ist.

 

Notieren Sie Ihre Erkenntnisse eventuell in ein Tagebuch.

 

Anleitung:

 

4. Nehmen Sie ein paar tiefe Atemzüge und fühlen Sie in Ihren Körper. Was nehmen Sie gerade wahr?

Bewegen Sie sich dann in den Quadranten, der «nicht wichtig» und «nicht dringlich» bedeutet (im obigen Bild Quadrant D). Die Sequenz beginnt bewusst bei diesem Quadranten, denn so beschäftigt man sich zum Einstieg eher mit einfacheren, angenehmeren Gefühlen.

Stellen Sie sich in die Mitte des Quadranten D. Geben sie sich in diesen Ort hinein, indem Sie zum Beispiel das hier denken oder laut sagen:

«Ich bin hier in einem Raum, in dem die Dinge komplett egal sind, und es hat alles ewig Zeit.»

Lassen Sie sich das spüren.

Achten Sie darauf, was Sie im Körper wahrnehmen.

Was für Gedanken und Gefühle tauchen spontan auf?

Was vermuten Sie, was dieser Raum für Ihren Alltag bedeutet?

 

Praxisbeispiel: Eine Person sagte sinngemäss, sie fühle eine lockere Entspannung, ein ruhiges Fliessen im Körper. Die Person machte genussvolle Gesten, wie wenn sie sich in einen gemütlichen Sessel setzen würde. Im Gespräch konnte über die Bedeutung von entspannenden Hobbies und Ferien, aber auch über den Unterschied zwischen «Entspannen» und «Zerfliessen» reflektiert werden.

 

5. Nehmen Sie erneut ein paar tiefe Atemzüge und wechseln Sie in den Quadranten C, «nicht wichtig» und «dringlich». Stellen Sie sich in den Raum und vergegenwärtigen Sie sich:

«Ich bin hier an einem Ort, in dem mir die Dinge eher egal sind. Aber dennoch sind sie eilig.»

Achten Sie darauf, was Sie im Körper wahrnehmen und was für Gedanken und Gefühle auftauchen.

Gibt es solche Situationen zum Beispiel in Ihrem Büroalltag?

 

Praxisbeispiel: Eine Person machte ein nachdenkliches Gesicht und sagte sinngemäss, dieser Quadrant sei merkwürdig. Etwas, was gar nicht wichtig sei, könne gar nicht drängen. Im Gespräch war Reflexion möglich, was denn nicht wichtig sei, und ob es stets einfach falle, etwas auch mal als nebensächlich wegzulegen. Es konnte betrachtet werden, dass der Prozess, etwas als wichtig einzustufen, sich sehr vom Prozess unterscheidet, etwas als dringlich einzustufen.

Als Anregung, konkrete Praxisbeispiele für diesen Quadranten sind:

  • Ein Feuerwehreinsatz in einer anderen Stadt, in der man niemanden kennt.
  • Etwas, von dem man sich in einer Gruppe bewusst herausnimmt, in dem Sinn, dass man nicht überall zuvorderst mitreden muss.
  • Etwas, das schlicht aufgrund der Kompetenz nicht auf den eigenen Bürotisch gehört.

6.  Nehmen Sie erneut ein paar tiefe Atemzüge und wechseln Sie in den Quadranten B, «wichtig», aber «nicht dringlich». Betreten Sie diesen Quadranten und vergegenwärtigen Sie sich die Bedeutung zum Beispiel so:

«An diesem Ort sind mir die Dinge ein Herzensanliegen. Aber es hat Zeit, kann irgendwann gemacht werden.»

Was nehmen Sie im Körper wahr, was fühlen Sie, was für Gedanken kommen Ihnen? Was für eine Dynamik hat dieser Raum in Ihrem Alltag?

 

Praxisbeispiel: Eine Person zögerte und nahm abwägend-bedrohliche Gefühle wahr. Sie sagte sinngemäss, dieser Quadrant sei gefährlich. Denn die nicht dringlichen Dinge würden dann plötzlich dringend. Diese Entwicklung ist nicht so einfach zu durchschauen. Im Gespräch konnte über die Dynamik reflektiert werden, wie die Uhr dauernd tickt.

 

7. Nehmen Sie wiederum ein paar tiefe Atemzüge und wechseln Sie in den Quadranten A.

Vergegenwärtigen Sie sich den Ort, an dem Sie stehen, zum Beispiel so:

«Ich bin hier in einem Raum, in dem die Dinge doch sehr eilen, und es ist jetzt echt wichtig.»

Vielleicht auch: «Hier ist Feuer im Dach.»

Was geschieht im Körper, was tut das mit Ihnen?

 

Praxisbeispiel: In diesem Quadranten bekam eine Person spontan eine enge Kehle. Sie erwähnte, die Kehle werde eng, hier entstehe schon Spannung im Bauch, das alles mache unruhig.

Im Gespräch war möglich, über die Haltung zu reflektieren – über schlaflose Nächte, über die Sinnlosigkeit verärgerten Herumrasens, aber auch über die Akzeptanz und die Bereitschaft, die Dinge nun positiv zu bewältigen. Wir können meist nicht entscheiden, was uns begegnet. Wir können nur unsere Haltung dazu regulieren.

 

In diesem Quadranten können auch Tools besprochen werden, zum Beispiel eine griffige Triage, Hilfe holen oder Techniken zum Fokussieren, zum Selbstkontakt, zum Beispiel Bewegung und Atmung. 

3.4 Unterschiedliche Kontexte erforschen

Mit dem oben erwähnten Setting können nach und nach verschiedene Kontexte erforscht werden.

 

1. Die Art der Konfrontation:

  • Man kann reflektieren, wie man eine Situation bewältigt.
    Beispiel: Im Quadranten A die Situation spüren und lernen, was das mit einem macht.
  • Man kann reflektieren, wie man Situationen antizipiert und ihre Entstehung beobachten.
    Beispiel: Im Quadranten C erforschen, wie etwas nicht Dringliches unbemerkt dringlich werden könnte. Dabei auch zwischen Quadranten C und A hin- und hergehen.

2. Die systemische Sicht:

  • Etwas ist mir wichtig und dringlich.
  • Etwas ist meinem Chef, meiner Chefin wichtig und dringlich.
  • Etwas ist meiner Familie wichtig und dringlich.
  • Etwas ist meinen Kolleginnen und Kollegen wichtig und dringlich.
  • Etwas ist für mir fremde Menschen wichtig und dringlich.

Mit der systemischen Sicht können zum Beispiel Interessenkonflikte und Abgrenzungsprobleme erforscht werden, und wie man damit umgeht. Meinem Partner, meiner Chefin ist das wichtig, mir aber nicht. Kann etwas, was für meine Familie dringlich ist, mir egal sein? Wie ist das, wenn etwas für meine Kolleginnen und Kollegen schnuppe ist, aber mir wär’s schon wichtig?

 

3. Transfer in den konkreten Alltag: hier geht es um Beispiele.

  • Finde ich in meinem Arbeitsalltag überhaupt etwas, das unwichtig und nicht dringlich ist? Wenn nein, was bedeutet das?
  • Welche Ereignisse hetzen mich in den Bereich «dringlich und wichtig»? Wie gehe ich damit um?

4. Die Entscheidungsprozesse klären: Die Pendenz, ein Mail zu beantworten – was genau geht in mir vor, wenn ich entscheide, ob das wichtig oder unwichtig ist? Was für Interessen und Impulse spielen da in meinem Körper? Ist ein in die Agenda eingetragener Termin jetzt niemals dringend, weil er eingetragen ist? Wie sieht meine persönliche Stressantwort auf «sehr dringlich» aus? Kenne ich meine persönlichen Dringlichkeitsstufen? Wenn ich mich unsicher fühle und einen möglichen Termin nicht eintrage, ist er dann unwichtig? Wo nutze ich die Agenda, um Widerstand oder auch Weisheit zu inszenieren?

 

5. Die Prozesstiefe. Diese Fragen können Sie auf Ihrer Forschungsreise in einem Quadranten etwas tiefer führen:

  • Wo im Körper fühle ist Anspannung, wo ist Weite, wo ist Wärme, wo ist Kälte?
  • Welche Farbe würden Sie einer Körperwahrnehmung geben?
  • Was für Emotionen sind da?
  • Werden Sie in einer bestimmten Situation irritiert, oder verlieren Sie die Präsenz?
  • Fühlt sich etwas sehr unklar an?
  • Skalenfragen: Auf einer Skala von eins bis zehn: wie wohl / wie unwohl ist mir hier drin?
  • Spüre ich Unternehmungslust (Appetenz)?
  • Spüre ich lähmenden Verantwortungsdruck (Aversion)?
  • Bin ich von irgendwas paralysiert?
  • Was für Bilder sehe ich in mir, was für Erinnerungen tauchen auf?
  • Was für spontane Bewegungen machen Sie in bestimmten Situationen? Wiederholen und verlangsamen Sie diese. 

Versuchen Sie, zwischen Körperwahrnehmung, Gefühlen, Bedeutung, Atem, Bewegung zu pendeln und achten Sie auf Aha-Erlebnisse.

 

4 Diskussion

4.1 «Wichtig» und «dringlich» aus Sicht des Körpers

Unser Organismus kennt keine Entscheidung. Unser Organismus kennt nur Vorrangigkeit. Von mehreren dringlichen Bedürfnissen drängelt sich das nach vorne, welches für uns das grösste Bedrängnis darstellt (Perls, 2018). Unser Nervensystem ist Teil unseres Organismus und bietet auch im Geschäftsleben genau diese Grundlage.

 

In der Selbsterfahrungssequenz kann dieses Drängen möglicherweise nachvollzogen werden, oder zumindest scheinen damit die Betrachtungen in diesem Artikel plausibel. Eventuell begegnet man in der Selbsterfahrung Blockaden. Vielleicht kann man verstehen, an welchen Stellen man in Stress gerät, sich verhärtet oder die Konzentration verliert.

 

Möglicherweise macht man die Erfahrung, dass Welten zwischen «es ist mir wichtig», «es ist ihm/ihr/ihnen wichtig» und «es scheint für die Sache XY wichtig» liegen. Es mag sich sehr anders anfühlen, ob man sich sagt: «Es ist mir dringend» oder z.B. «es ist ihr dringend».

 

Abgesehen vom inneren Funktionieren unseres Nervensystems hat jede Einstufung in «wichtig» und «dringlich» Konsequenzen in den persönlichen und Sachbeziehungen. Menschen wissen sehr wohl um diese Konsequenzen, und sie sind Teil des Abwägens des Organismus.

 

Aus diesen Gründen verlangt die Beurteilung von «wichtig» und «dringlich» ein tiefes Verständnis der eigenen Position und auch der Abgrenzung des eigenen Ichs gegenüber der Umwelt. «Wichtig» und «dringlich» sind manchmal selbst Bestandteil der Abgrenzung bei Beziehungen zwischen Menschen und haben Konsequenzen auf diese Beziehungen. In einer Organisation sind «wichtig» und «dringlich» manchmal Steuerräder in einem Gefüge mit Machtverhältnissen.

4.2 «Wichtig» und «dringlich» in der Vernunft

Aus der Vernunft beurteilt, basiert die Einteilung von «wichtig» und «dringlich» mindestens auf folgenden Themen:

  • Wertschöpfungskette: Wichtigkeit und Dringlichkeit entstehen aus primären und unterstützenden Aktivitäten im Sinne des Unternehmensziels.
  • Risikobetrachtung: Ein hohes Risiko (im Sinne von Schaden × Wahrscheinlichkeit) verlangt Aufmerksamkeit. Schaden kann sein: Finanzschaden, Reputationsschaden, juristischer Schaden und so weiter.

Mit der Frage: «Warum wurde ein Termin so und so gesetzt?», beginnen «wichtig» und «dringlich» ineinander zu verfliessen.

Manchmal hat es etwas Befreiendes, ein wenig auf Distanz zu gehen und die Sache nüchtern und methodisch im Kopf zu betrachten. Manchmal jedoch blendet man auf die Weise entscheidende Dynamik aus, die sowieso spielt.

5. Stärkung, Transfer und Ausblick

Wenn man mit den vier Quadranten mit Embodiment und Raumankern forscht, findet man nach und nach eine gefühlte, erlebte Klarheit über die eigenen Motive. Man versteht tiefer, was einem selbst «wichtig», «unwichtig», «dringlich» und «nicht dringlich» eigentlich bedeutet. Dabei darf unser Organismus sich so zeigen und so agieren, wie er gewachsen ist. Das ist ganz entscheidend, denn gefühlte Autonomie ist ein Grundpfeiler unserer Persönlichkeit (Stern, 1992) und stärkt unsere Persönlichkeit.

 

Mit der Klarheit werden mehr Unterscheidungen und damit bewusste Entscheidungen möglich: Eigeninteressen, Fremdinteressen, Partikularinteressen, Commitment oder Verpflichtungsgefühl, eigene Schwächen und Stärken im Bereich der Abgrenzung. Klarheit zum Beispiel über das eigene Entscheidungsverhalten kann auch zu mehr Transparenz gegenüber dem Umfeld verhelfen. Die bewusstere Unterscheidung zwischen dem ich und der Welt stärkt unsere Persönlichkeit: «wichtig» und «dringlich» tragen dazu bei, unseren Eigenraum zu definieren.

 

Eine sorgfältige Stärkung der eigenen Persönlichkeit kann als wertvoller Beitrag in eine Unternehmenskultur einfliessen.

Man kann sich nun auch weiteren Fragen zuwenden, zum Beispiel wie man professionell und authentisch «ja» und «nein» sagt, und das auch halten kann. Im Bereich der Softwareentwicklung beispielsweise ist es ein absolut grundlegendes Berufsthema, was man zusagt, wie man es zusagt und dass man auf den Grenzen des Machbaren besteht (Martin, 2011).

Darüber hinaus kann man sich mit den Verhaltensweisen auseinandersetzen, die pro Quadrant als Folgehandlung in Frage kommen. Zum Beispiel:

  • Verhalten Quadrant D: Wegwerfen. Mögliche angrenzende Themen:
    Loslassen, Vertrauen ins Leben aufbauen, Mut zur Lücke, Improvisation
  • Verhalten Quadrant C: Delegieren. Mögliche angrenzende Themen:
    Vertrauen, Führungsqualitäten, Qualitäts- und Maturitätsbewusstsein, Kommunikation, Kritik, Dankbarkeit, Planungsirrtum…
  • Verhalten Quadrant B: Terminieren. Mögliche angrenzende Themen:
    Raum- und Zeitverständnis, Kenntnis des Cone of (Un)certainty, Planungsirrtum, Versprechen auf richtige Weise geben und dann auch halten, Lernkultur wenn die Terminierung verkehrt läuft
  • Verhalten Quadrant A: Sofort erledigen. Mögliche angrenzende Themen:
    Spass und authentisches Commitment, Konzentrationstechniken, Flow-Theorie, Ressourcen, Selbstwirksamkeit 

Literaturverzeichnis

Barsalou, L. W. (2009). Simulation, situated conceptualization, and prediction. Philosophical Transactions of the Royal Society, 364, 1521, 1281 - 1289

 

Martin, R. C. (2011). The Clean Coder. A Code of Conduct for Professional Programmers. Upper Saddle River: Prentice Hall

 

Perls, F. (2018). Gestalt-Therapie in Aktion. Stuttgart: Klett-Cotta

 

Stern, D. N. (1992). Die Lebenserfahrung des Säuglings. Stuttgart: Klett-Cotta

 

Storch, M. & Krause, F. (2014). Selbstmanagement – ressourcenorientiert. Grundlagen und Trainingsmanual für die Arbeit mit dem Zürcher Ressourcen Modell (ZRM). Bern: Verlag Hans Huber

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